Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs von Berlin
Einmal mehr deckt der Bericht Beispiele auf, wie der Senat Geld verbrennt, Einnahmen verschenkt, vor allem aber dringend notwendige Ausgaben verweigert. Einmal mehr ist der Bericht Beleg dafür, dass dieser Senat seine Verantwortung für diese Stadt nicht wahrnimmt.
aus dem Wortprotokoll
82. Sitzung
Jahresbericht Rechnungshof
Ich rufe auf
lfd. Nr. 3:
Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 der Verfassung von Berlin und § 97 der Landeshaushaltsordnung
(hierzu: vertraulicher Teil mit Bemerkungen nach
§ 97 Absatz 4 der Landeshaushaltsordnung)
Bericht
Drucksache 17/2899
Vizepräsident Andreas Gram:
– Frau Dr. Schmidt hat jetzt das Wort für die Linksfraktion. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofs, Frau Claßen-Beblo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Angeordnete! Wieder ist ein Jahr um. Täglich grüßt das Murmeltier, könnte man fast zu diesem Bericht sagen. Der Bericht des Rechnungshofs für das Jahr 2016 liegt vor. Wieder haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen, Frau Claßen-Beblo, mit großer Sorgfalt die finanzwirtschaftliche Entwicklung Berlins und das Ausgabeverhalten des Senats unter die Lupe genommen. Vielen Dank dafür! An dieser Stelle auch vielen Dank an die Ausschussvorsitzende für das sehr konstruktive Arbeiten im Ausschuss und die Auseinandersetzung mit dem, was der Rechnungshof in seinen Berichten immer wieder aufdeckt!
[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]
Ich bedauere ausgesprochen, dass gerade die Senatorinnen und Senatoren, deren Bereiche besonders kritisiert werden und die aus dem Bericht besonders viel lernen könnten, sich nicht dafür interessieren und nicht anwesend sind. Wenigstens drei Senatorinnen und Senatoren sind momentan da, aber es sind im Wesentlichen nicht ihre Bereiche, die hier aufgeführt werden. Die großen Brocken finden sich anderswo. Das zeigt wenig Willen zum Lernen und zur Veränderung. Einmal mehr deckt der Bericht Beispiele auf, wie der Senat Geld verbrennt, Einnahmen verschenkt, vor allem aber dringend notwendige Ausgaben verweigert. Einmal mehr ist der Bericht Beleg dafür, dass dieser Senat seine Verantwortung für diese Stadt nicht wahrnimmt und sich in politischen Entscheidungen gegenseitig blockiert.
Doch der Schwerpunkt der Berichterstattung hat sich etwas verlagert. War es bisher eher die Geldverschwendung, so kritisiert der Rechnungshof nunmehr vor allem, dass vorhandenes Geld liegenbleibt und dringend notwendige Investitionen unterlassen werden. Es ist doch absurd, dass wir schon das vierte Jahr in Folge deutliche Haushaltsüberschüsse haben und diese Stadt weiter verfällt. Auch das, Herr Goiny, sind Schulden.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]
In diesem Jahresbericht wird das am Beispiel der Brücken deutlich. – Meine Vorredner haben es gesagt. – Es ist sicher gut, dass Herr Senator Geisel die Rahnsdorfer Ruderfähre gesichert hat. Doch eine alternative Verkehrslösung ist es mit Sicherheit nicht, wenn alle Brücken verrottet sind und dann der Bezirk Treptow-Köpenick zur Insel im Land Berlin wird.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]
Und auch schöne Bilder werden nicht von der mit Sicherheit für den Rechnungshof relevanten Spende ablenken. Fakt ist auch: Für den Bereich der Brückensanierung laufen Sie dem Bedarf hinterher, finanziell und vor allem konzeptionell. Sie schaffen es noch nicht einmal, das für Brückensanierung im Haushalt vorhandene Geld auszugeben – Frau Herrmann hat es erwähnt. Es sind fast 20 Prozent, also mehr als 20 Millionen Euro, die liegengelassen werden. Fast drei Viertel der Brücken befinden sich in einem dramatischen Zustand.
Deshalb teilen wir ausdrücklich die Forderung des Rechnungshofs, dass der kurz-, mittel- und langfristige Sanierungsbedarf systematisch und vor allem zügig ermittelt werden muss und dass es auf dieser Grundlage eine Idee für eine nachhaltige Erhaltungsstrategie braucht. Doch mit Ideen – vor allem mit ihrer Umsetzung – haben Sie es bekanntlich nicht so, verehrte Damen und Herren von SPD und CDU.
Ihre Idee mit SIWA – da teile ich Ihre Auffassung ausdrücklich nicht – greift immer noch nicht. Die Geburtsfehler bleiben. Die Investitionsquote hat sich immer noch nicht erhöht, und bis Ende 2015 haben Sie gerade einmal 10 Prozent der vorhandenen Mittel ausgegeben. Inzwischen gibt es eine zweite Tranche SIWA, vielleicht bald eine dritte. Da verwundern die zu erwartenden Schwierigkeiten nicht, auf die der Rechnungshof in seinem Bericht verweist. Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass am Ende noch nachvollzogen werden kann, welche Maßnahmen aus welchem SIWA-Paket finanziert wurden? Welches Personal verwaltet die Vielzahl von Tranchen, Bestückungslisten und Maßnahmen? Schon jetzt kann der Senat im Bereich des bautechnischen Dienstes die Altersabgänge nicht mehr durch eigene Ausbildung kompensieren, geschweige denn die steigenden Bedarfe wegen zusätzlicher Aufgaben decken. Aber auch hier fehlt Ihnen, verehrte Damen und Herren von SPD und CDU, ein Plan für ein strategisches und bedarfsgerechtes Personalbedarfskonzept. Und das wird uns auch bei dem von Ihnen im Schweinsgalopp verabschiedeten E‑Governmentgesetz auf die Füße fallen. Auch hier fehlt es an spezialisiertem IT-Personal, an den Fachkräften, was Sie ja selbst dem Rechnungshof in Ihrer Stellungnahme eingestehen: erheblicher Fachkräftemangel im IT-Bereich, zu lange Projektzeiträume. Sehr verehrte Damen und Herren von SPD und CDU! Wenn dieses E-Governmentgesetz keine Bankrotterklärung werden soll, gibt es noch eine Menge Arbeit zu tun.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]
Lassen Sie mich nur kurz noch ein Fazit aus diesem Rechnungshofbericht ziehen! Er beschreibt viele Baustellen, und sicher werden Sie diese Baustellen nicht mehr abräumen. Sie haben viele Ideen entwickelt. Sie haben viele Wahlversprechen gemacht, aber nicht an einer Stelle gesagt, wie sie umgesetzt werden sollen. Diese Antworten bleiben Sie den Berlinerinnen und Berlinern schuldig, wahrscheinlich auch noch bis nach der Wahl.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]
Vizepräsident Andreas Gram:
Danke schön, Kollegin Dr. Schmidt! –