Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2012 und 2013

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann.“

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 (Haushaltsgesetz 2012/2013 – HG 12/13)

Präsident Ralf Wieland:

Vielen Dank! – Dann haben wir als Nächstes für die Fraktion Die Linke Frau Dr. Schmidt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mal wieder ein bisschen Ruhe einkehren, damit wir jetzt der Kollegin Dr. Schmidt zuhören können! – Bitte schön, Frau Kollegin!

Dr. Manuela Schmidt (LINKE):

Ich denke, wir werden noch viel Gelegenheit haben, uns zu diesem Haushalt zu echauffieren, aber gestatten Sie mir eine Bemerkung am Rande: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann.“ – Ist also gut, dass mal eine Frau über den Haushalt redet, sind ja sonst fast nur die Männer.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun ist das heute bereits die zweite erste Lesung eines Haushaltsplanentwurfs für die Jahre 2012 und 2013 für das Land Berlin. Und auch dieser Entwurf muss sich an zwei Fragen messen lassen. Zum einen: Bildet der Haushalt ab, was die Stadt braucht, setzt er die richtigen Schwerpunkte? Zum anderen: Ist der Haushalt solide, wird er dem Anspruch gerecht, nachhaltig zu sein, oder weist er Risiken auf? – Diese beiden Fragestellungen werden für uns Leitlinien für die Haushaltsberatungen sein. Wir sehen uns dabei natürlich in der Verantwortung und Kontinuität von zehn Jahren rot-roter Regierung. Zugleich haben wir als Linke an verschiedenen Punkten ein anderes Herangehen als vor fünf oder zehn Jahren oder als es das Ringen um Kompromisse mit der SPD zuließ. In der ersten Lesung kann sich auch hier zunächst noch kein vollständiges Bild ergeben. Das liegt in der Natur erster Lesungen, das liegt aber auch daran, wie Sie von der Koalition und vom Senat mit dem Parlament umgehen. Die gedruckte Version liegt uns seit dem 13. Februar vor, die erste Ausschussberatung war am 15. Februar. Auch elektronisch brauchen Sie anderthalb Wochen, um die Beschlussfassung aus dem Senat dem Parlament zur Verfügung zu stellen. Im Zeiten des Internets braucht es einen Mausklick, mehr nicht.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Woran lag es also? Wissen Sie als Koalition denn immer noch nicht, wohin Sie eigentlich wollen? – Ein Umgang mit dem Parlament ist das nicht.

[Beifall bei der LINKEN]

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Der Senat verfolgt eine restriktive Ausgabenlinie und will die Verpflichtungen des Landes aus dem Sanierungsprogramm gegenüber dem Stabilitätsrat einhalten. Da ist es nötig, auf einen zentralen Widerspruch in der Konstruktion der Schuldenbremse und des Stabilitätspaktes hinzuweisen. Der Haushalt steht unter der Kuratel des Stabilitätsrates und ist gleichzeitig von externen Faktoren abhängig. Einerseits verpflichtet sich das Land, die Vorgaben des Stabilitätsrates umzusetzen, andererseits steht es dem Bund frei, eine Steuerpolitik zulasten der Länder zu betreiben. Allein in diesem Doppelhaushalt verliert das Land Berlin 1,8Milliarden Euro wegen Steuerrechtsänderungen, die in den letzten Jahren auf Bundesebene beschlossen wurden. An Ihrer Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, würde ich da mal handeln! Mit diesem Geld bräuchte Berlin nämlich gar keine neuen Schulden aufzunehmen, und es zeigt sich ganz schnell, dass Berlin inzwischen kein Ausgabeproblem, sondern vor allem ein Einnahmeproblem hat. Deshalb muss klar gesagt werden, wo der Schlüssel für eine Konsolidierung der Länder und Kommunen liegt. Ohne eine andere Steuer- und Verteilungspolitik im Bund gehen der Föderalismus und auch die kommunale Selbstverwaltung vor die Hunde. Die Schuldenbremse ist das falsche Instrument.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Zu einer Sparfuchspose, wie sie besonders gern Herr Senator Nußbaum einnimmt, passt es überhaupt nicht, wenn die erste konkrete Entscheidung, die Sie als Koalition treffen, darin besteht, dass Sie sich jetzt 23 Staatssekretäre leisten – oder sollte ich sagen: verdiente Parteifunktionäre versorgen – für die Arbeit, die vorher 19 erledigt haben!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Kritik an deren Arbeit, über das normale Maß hinaus, habe ich nicht vernommen. Das werden Sie sich zu Recht zukünftig jedes Mal vorhalten lassen müssen, wenn Sie
5 oder 50 oder auch 100 000 Euro für das eine oder andere Projekt nicht ausgeben wollen. Bei dem geplanten Personalabbau in den Hauptverwaltungen bin ich im Übrigen ohnehin gespannt, zu wessen Lasten das geht. Nein, so gewinnt man nicht die nötige Akzeptanz für Haushaltskonsolidierung. Wir müssen uns von niemandem mangelnden Mut zur Konsolidierung vorwerfen lassen, wir haben in den vergangenen zwei Wahlperioden gezeigt, dass es funktioniert, politische Spielräume wiederzugewinnen. Aber es geht nicht um das Sparen allein um des Sparens willen. Wir wollen das finanzieren, was sozialen Zusammenhalt und Entwicklung in der Stadt ermöglicht, und das ist auch finanzierbar, wenn man nicht steigende Einnahmen in immer ehrgeizigere Konsolidierungsziele steckt und schon ab 2016 keine Schulden mehr machen will.

Welches Bild ergibt sich, wenn wir uns die Schwerpunkte im Haushaltsgesetz anschauen? Wo setzen Sie Bewährtes wie fort, und wo setzen Sie neue Schwerpunkte? – Einen Schwerpunkt setzen Sie im bildungs- und jugendpolitischen Bereich. Das setze ich unter die Überschrift „Bewährtes fortsetzen“. Schon unter Rot-Rot haben wir die vorschulische Bildung und Erziehung in vorbildlicher Weise auf- und ausgebaut, haben den Anspruch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Leben erfüllt. Lobenswert ist daher, dass die Koalition 20 Millionen Euro für den weiteren Ausbau von Kitaplätzen bereitstellen will. Doch für wie viele Plätze wird das reichen? Haben sich die beiden beteiligten Senatsverwaltungen überhaupt schon geeinigt, wofür das Geld ausgegeben werden darf? Gebraucht werden in den nächsten Jahren 19 000 Plätze. Was jedoch am dringlichsten fehlt, das sind Fachkräfte – mehrere Tausend Erzieherinnen und Erzieher in den nächsten Jahren. Dieses Problem steht genauso für den Ausbau der Hortbetreuung in den fünften und sechsten Klassen.

Folgerichtig ist es ebenfalls, dass in den nächsten Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention auch an Schulen konsequent umgesetzt werden soll. Bitte erwecken Sie aber nicht den Eindruck, dass 1 Million Euro investiv pro Jahr dieses Problem nachhaltig lösen kann.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Gerwald Claus-Brunner (LINKE)]

Mit einer solchen Summe kann man vielleicht vier oder fünf oder auch sechs Fahrstühle einbauen. Eine erfolgreiche Inklusion braucht mehr und braucht gut qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer, die tatsächlich für die Förderung der Kinder und nicht als Vertretungsreserve für langzeiterkrankte Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werden. Ebenso wenig nützen einer Schule 10 000 Euro für eine Lernwerkstatt, wenn sie diese aus Platzmangel gar nicht einrichten kann.

Im Bereich Arbeit, Integration und Frauen wollen Sie vom bisherigen öffentlichen Beschäftigungssektor volumenneutral umsteuern auf die in der Koalitionsvereinbarung genannte Konzeption für „Berlin-Arbeit“. Im Landespflegeplan haben Sie aber beispielsweise die Fortsetzung von Mobidat versprochen. Die ÖBS-Stellen sind ausgelaufen. Wie und zu welchen Konditionen wollen Sie dieses Projekt also künftig umsetzen? Gesellschaftliche Anerkennung von Arbeit drückt sich letztlich auch in Bezahlung aus.

[Beifall bei der LINKEN]

Die gleiche Frage stellt sich ebenso für das sehr erfolgreiche Projekt der Stadtteilmütter oder auch (Dr. Manuela Schmidt) die Integrationslotsen.

In Ihrer Vorlage verweisen Sie darauf, dass der Senat zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Berlin die Ausgaben im Bereich der Innovations- und Forschungsförderung in den Jahren 2012 um rund 18 Millionen Euro und 2013 und 3 Millionen Euro erhöht habe. Das hört sich nach mehr Geld für Innovationsförderung an, nach Schwerpunktsetzung und besseren Bedingungen für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. In Wirklichkeit verbirgt sich dahinter nur eine veränderte Finanzierungsstruktur. Programme, die bisher aus den Förderleistungen der IBB finanziert und mit EFRE-Mitteln kofinanziert wurden, werden jetzt vollständig in den Landeshaushalt eingestellt. Der finanzielle Beitrag des Landes ohne Drittmittel ist im Vergleich zum vorherigen Doppelhaushalt sogar rückläufig. Was die EFRE-Mittel betrifft – auch das ist nur geborgtes Geld, denn die höhere Veranschlagung der EFRE-Gelder in 2012 kommt nicht vom Himmel, sondern geht zulasten der für 2014 geplanten Mittel. Die zurückgehende Förderleistung der IBB für die Wirtschaft wird durch eine erstmals geplante Gewinnabführung der IBB an den Landeshaushalt in Höhe von 45 Millionen Euro pro Jahr kompensiert, was deutlich mehr ist als die eingeschmolzene Wirtschaftsförderung. Das ist also keine Schwerpunktsetzung, das ist schlecht versteckte Mauschelei. Es mag ja sinnvoll sein, die Finanzierungsstrukturen der Wirtschaftsförderung neu zu ordnen, aber daraus ergibt sich noch lange keine Schwerpunktsetzung zugunsten der Berliner Unternehmen.

Der Senator hatte schon im Hauptausschuss angekündigt, dass für die geplanten Besoldungs- und Versorgungssteigerungen eine zentrale Vorsorge ab 2012 berücksichtigt worden sei. Er hat sie gut versteckt! Wenn man nach pauschalen Mehr- oder Minderausgaben für Personal im Haushaltsplanentwurf sucht, findet man für 2012 zwar pauschale Minderausgaben in einer Größenordnung von 76 Millionen Euro, die Hinweise auf Vorsorge vermisse ich aber. Entweder gibt es sie nicht, oder sie sind so vergraben, dass die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit ad absurdum geführt werden.

Entscheidend für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt und für die, die sich neu für unsere Stadt entscheiden, ist, dass sie in allen Kiezen der Stadt bezahlbaren Wohnraum finden und dass alteingesessene Mieterinnen und Mieter nicht ihre Kieze verlassen müssen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können. Für jemanden, der seit 30 Jahren in Prenzlauer Berg wohnt, ist es eben nicht zumutbar, gezwungenermaßen nach Spandau zu ziehen. Berlin bleibt auch nur sozial, wenn es gelingt, die soziale Durchmischung in den Kiezen zu erhalten – Bezirke sind Großstädte.

[Beifall bei der LINKEN]

Aussagen zu den drängenden Problemen der Mieten- und Wohnungspolitik suche ich bei den von Ihnen aufgeführten Schwerpunkten vergeblich. Wo bleibt die Untersetzung der vielen Ankündigungen zu Wohnungsneubau, sozialverträglichen Mieten, zu Umfang und Struktur der Mietpreis- und Belegungsbindungen? Der Senat hat versprochen, landeseigene Grundstücke für Wohnungsneubau mit vertretbaren Mieten zur Verfügung zu stellen. Davon ist noch nichts zu spüren. Noch vergibt der Liegenschaftsfonds die Grundstücke überwiegend an den Meistbietenden. Die städtischen Gesellschaften und Genossenschaften können da nicht mithalten. Sollten aber das nicht die Partner in der Umsetzung sein?

Zu bezahlbarem Wohnraum gehören auch die Wasserpreise. Der rot-schwarze Senat lässt es bisher sowohl an einer Strategie als auch an konkreten Vorstellungen zur Zukunft der Berliner Wasserbetriebe und zur Steuerung der Wasserpreisentwicklung fehlen. Für den Bereich der Berliner Wasserbetriebe sind im Einzelplan 8 Millionen Euro mehr Einnahmen im Ansatz aufgenommen. Was bedeutet das vor dem Hintergrund der zugesagten Wasserpreissenkung und des Urteils des Bundeskartellamtes? Als ein Jahr des Preisverfalls der Wasserpreise wird das Jahr 2012 wohl nicht in die Geschichte des Landes Berlin eingehen.

Auch zum Thema Bezirke möchte ich etwas sagen. Das haben Sie sicherlich erwartet. Entgegen (Dr. Manuela Schmidt) dem, was Sie gesagt haben, Herr Graf, wird Die Linke nicht still sein. Denn entgegen der vollmundigen Ankündigungen der selbsternannten Bezirksfreunde in den Koalitionsfraktionen finden sich im Haushaltsplanentwurf keine Erhöhungen der Zuweisungen an die Bezirke. Sie finden sich nicht bei den Investitionen – dort sind sie sogar um 15 Millionen Euro und um 24 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren abgesenkt –, von den 50 Millionen Euro rede ich gar nicht, aber ich rede von den Ansätzen für das Personal. Obwohl doch die Bezirke wegen ihres herausragenden Beitrags zu den Personaleinsparungen in den letzten Jahren eigentlich entlastet werden sollten, findet sich von diesen Aussagen im Haushaltsplanentwurf nichts wieder. Eigenartige Logik. Während die einzelnen Hauptverwaltungen nun pauschale Minderausgaben Personal haben, weil ihre Einsparvorgaben durch die neue Koalition erhöht wurden, findet sich die Entlastung der Bezirkshaushalte im Plan nicht wieder. Weil die Koalitionäre im Hauptausschuss angekündigt haben, die höheren Zuweisungen könnten doch über Pauschalen im Haushaltsplan eingestellt werden, sage ich Ihnen: Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, nützt den Bezirken überhaupt nichts im Prozess der Haushaltsplanaufstellung. Die brauchen bezirkskonkrete Erhöhungen ihrer Zuweisungen, um die nötigen Schlussfolgerungen im bezirklichen Aufstellungsprozess auch ziehen zu können.

[Beifall bei der LINKEN]

Aus unserer Sicht ist der Haushalt nicht das, was die Stadt braucht. Zwar setzt er wichtige Schwerpunkte, aber diese nicht konsequent. Zentrales fehlt ganz. Der Haushalt ist nicht solide. Er weist an verschiedenen Stellen Risiken und Lücken auf. Wir werden Verschwendung nicht akzeptieren, Schummeleien werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen. Wir sind auch der Auffassung, dass es einer nachhaltigen Haushaltspolitik nicht widerspricht, Investitionen zu tätigen, wenn sie sich langfristig rechnen und gut und notwendig für die Stadt sind. Deshalb werden wir das Thema Rekommunalisierung weiter vorantreiben und nicht wegen einer abstrakten Ausgabelinie darauf verzichten.

Wir als Linksfraktion wollen, dass das soziale Berlin auch sozial bleibt, dass Berlin auch weiterhin zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft, mit Löhnen und Gehältern, von denen Frau und Mann auch würdig leben können. Wir wollen Beschäftigung statt Arbeitslosigkeit finanzieren, und wir wollen konsequent gleiche Chancen für alle Kinder in der Bildung. Hierfür werden wir uns in den folgenden Beratungen einbringen und engagieren, aber vor allem werden wir das Ergebnis an unseren Ansprüchen messen. – Vielen Dank!

Präsident Ralf Wieland:

Vielen Dank, Frau Dr. Schmidt! –

[Beifall bei der LINKEN]