Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan von Berlin für das Haushaltsjahr 2015

Berlin hat in diesem Jahr finanzielle Spielräume wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Damit könnte man in der Stadt richtig Politik machen, Probleme anpacken, kontinuierlich investieren, marode Infrastruktur konsolidieren.

aus dem Wortprotokoll

63. Sitzung
Priorität

Ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung
des Abgeordnetenhauses von Berlin

lfd. Nrn. 3.1 und 3.5:

Priorität der Fraktion der CDU und
Priorität der Fraktion der SPD

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan von Berlin für das Haushaltsjahr 2015 (Nachtragshaushaltsgesetz 2015 – NHG 15)

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses Drucksache 17/2222

zur Vorlage – zur Beschlussfassung –
Drucksache 17/2131

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 17/2131-1

Vizepräsident Andreas Gram:

– Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Dr. Schmidt. – Bitte sehr!

Dr. Manuela Schmidt (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Kollatz-Ahnen! Herr Schneider! Auf das Machen warte ich noch, und das tue nicht nur ich.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Naturgemäß sehen wir einige Dinge anders als Sie. Berlin hat in diesem Jahr finanzielle Spielräume wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Damit könnte man in der Stadt richtig Politik machen, Probleme anpacken, kontinuierlich investieren, marode Infrastruktur konsolidieren. Aber diese Koalition tut es nicht. Der Finanzsenator hat sich mit dem Nachtragshaushalt nicht ehrlich gemacht. Wie sein Vorgänger hat er Einnahmen versteckt, Ausgaben mal hochgerechnet und mal geleugnet. Es bleibt bei Trickserei und Zahlenvoodoo. Und die Koalition lässt das so laufen.

Wir reden hier heute von Mehreinnahmen und Minderausgaben in Höhe von 1 Milliarde Euro, von denen Sie gerade einmal 300 Millionen Euro zugeben. Dazu kommt noch die halbe Milliarde Euro, mit der Sie das Sondervermögen SIWA finanzieren, von dem bis heute niemand weiß, wann und wie Sie es ausgeben. Was machen Sie aus diesem riesigen Handlungsspielraum? Sie erwecken unermüdlich den Eindruck, die Stadt gerade mit einem Füllhorn an Investitionen zu überschütten. Doch tatsächlich haben Sie bislang nichts dafür getan, dass diese Investitionen auch umgesetzt werden. Und Sie werden es auch nicht schaffen, denn Sie nutzten die Spielräume nicht, um in dringend notwendiges Personal zu investieren. Doch ohne Personal können Sie Ihre Investitionsversprechen nicht einlösen.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Dummes Gerede!]

An den Finanzen liegt das nicht. Ich sehe da eher mangelnden Willen und Unvermögen in der Koalition.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Warum bleibt der Senat bei den Steuermehreinnahmen bei seiner ausgesprochen konservativen Schätzung? Schon jetzt liegen die Einnahmen um 180 Millionen Euro höher als im März des letzten Jahres. Und Sie machen nichts daraus. Da traut sich der Bund mehr.

Weitere Mehreinnahmen in Höhe von 50 Millionen Euro ergeben sich aus der erhöhten Erstattung des Bundes für die Kosten der Unterkunft, festgeschrieben in Artikel 2 des Gesetzes zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015, beschlossen im Dezember 2014, also noch mehr als zwei Monate vor Aufstellung des Nachtragshaushalts. Lesen Sie nach! Das ist richtig Geld für Berlin.

Noch einmal 50 Millionen Euro ergeben sich aus der Rückzahlung des Bundes für die Leistungen zur Bildung und Teilhabe aus dem Jahr 2012. Hierzu gibt es ein Gerichtsurteil des Bundessozialgerichts, wonach der Bund das Geld zurückzuzahlen hat.

Unterschlagen haben Sie uns auch mindestens 50 Millionen Euro Erstattungen der EU, die mit abgelaufenen Förderperioden zusammenhängen. Die Ist-Listen des laufenden Haushaltsjahres lassen sogar auf noch mehr hoffen.

Noch ein weiterer Punkt erhöht den Spielraum ganz wesentlich, nämlich die Minderausgaben für Zinsen. Auch von diesen 350 Millionen Euro ist in Ihrem Nachtragshaushalt nichts zu finden. Hier werden wieder Mehreinnahmen und Minderausgaben gebunkert und dem Parlament Handlungs- und Entscheidungsspielräume vorenthalten. Sie haben es vorhin so läppisch genannt, aber unsere entsprechenden Anträge haben Sie alle abgelehnt.

Richtig grotesk ist allerdings, dass Sie schon geleistete Mehrausgaben für den Flughafen wiederum nicht veranschlagt haben. Die 42 Millionen Euro standen in Rede. Aber den Antrag für eine weitere Finanzspritze in Höhe von 67 Millionen Euro haben doch nicht wir uns ausgedacht. Da hat uns der Senat um Zustimmung zur Zahlung gebeten, und 51 Millionen Euro sind bereits an die Flughafengesellschaft gezahlt worden. Nach Adam Ries sind das schon jetzt 118 Millionen Euro für 2015. Nur, dass sich davon im Nachtragshaushalt nichts findet. – Sehr verehrte Damen und Herren von SPD und CDU! Sagen Sie doch nicht, dass Sie das zufällig im Nachtragshaushalt vergessen haben!

Das zweite Kapitel aus dem Tollhaus ist das Thema der steigenden Flüchtlingszahlen. Wir finden, dass Berlin in der Lage ist, mehr Menschen Schutz zu gewähren.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)
und Heiko Herberg (PIRATEN)]

Aber warum schafft es dieser Senat nicht, dafür zu sorgen, dass im Landesamt für Gesundheit und Soziales ausreichend Personal zur Verfügung steht, und zwar nicht nur befristet? Die Situation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist dort extrem angespannt, und auch bei der Unterbringung der Flüchtlinge laufen Sie den Problemen noch immer hinterher. Ich kann nicht erkennen, dass sich die Koalition in irgendeiner Weise dieser Verantwortung stellt. Es sei denn, Sie wollen in Berlin künftig Abschottungspolitik à la Bundes-CDU betreiben. Das wäre dann die Erklärung, warum sich die zu erwartenden Mehrkosten im Nachtragshaushalt an keiner Stelle wiederfinden. Würden Sie bei den Mehreinnahmen und Minderausgaben nicht wieder tricksen, verehrte Damen und Herren der Koalition, dann hätten Sie die Spielräume nicht nur für diese Ausgaben, sondern auch den Spielraum für erforderliche Investitionen, und zwar für kontinuierliche und transparente Investitionen im Haushalt und nicht am Haushalt vorbei.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den
PIRATEN –
Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, mehr in bezahlbaren Wohnraum und in die Stärkung der kommunalen Infrastruktur in den Bezirken zu investieren. Das haben Sie abgelehnt, und da ist die Debatte um das Mietenvolksbegehren dann wahrlich zu kurz gegriffen, Herr Schneider. Sie müssen sich nur mal mit den Betreffenden unterhalten. Dann könnte man hier auch Wege finden.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, wie aus den zusätzlichen Mitteln auch das Personal finanziert werden kann, das die Investitionen umsetzt. Sie haben auf den kommenden Doppelhaushalt vertröstet. Doch die Bezirke und letztlich auch die Hauptverwaltung brauchen das Personal jetzt. Hätte der Senat einen Plan für eine strategische und nachhaltige Personalbedarfsplanung, würden in der jetzt schon wachsenden Stadt Termine für die Bürgerämter oder bei der Kfz-Zulassungsstelle nicht so schwer zu kriegen sein, wie es derzeit der Fall ist.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Die dringend benötigten Fachkräfte würden sich im Haushalt wiederfinden. Der Senat hat aber keinen Plan, und deshalb findet sich da auch nichts.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Investitionen, die dringend notwendig sind, werden als Sonderprogramme verkauft. Statt bei den Bäder-Betrieben den jetzigen Sanierungsstau kontinuierlich abzubauen, setzten SPD und CDU auf zwei neue Multifunktionsbäder. Da wäre es ja noch besser gewesen, Sie hätten statt in Spaßbäder in die kostenfreie Bildung in den Kinderkrippen investiert, wie Ihr schreibender Exsenator letzte Woche in der Zeitung vorschlug.

Das Thema Krankenhäuser ist schon angesprochen worden. Sie investieren hier 108 Millionen Euro – gut, eine Menge Geld! Der Investitionsstau, das hat mein Kollege Esser schon gesagt, ist aber deutlich größer. Das trifft auch auf Schulen, auf Straßen und viele andere Bereiche zu. Deshalb ist es wichtig, im Haushalt nachvollziehbar und kontinuierlich Investitionsmittel einzustellen. Das findet sich bei Ihnen nicht wieder. Sie beschränken sich auf Zufälligkeiten.

Es bleibt dabei – als Fazit: Was Sie vorgelegt haben, ist ein Katalog von Zufälligkeiten. Transparente und realitätsnähere und vor allem an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Haushaltspolitik sieht anders aus. Diese Chance, sehr geehrte Damen und Herren von SPD und CDU und auch vom Senat, haben Sie erneut verpasst. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vizepräsident Andreas Gram:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Schmidt! –