92. Rotes Sofa im Abgeordnetenbüro Schmidt

Am 14. Februar hatten wir einmal mehr die Ehre, die Thriller-Schriftstellerin Zoë Beck als Gast auf dem Roten Sofa im Abgeordnetenbüro Schmidt begrüßen zu dürfen. Beck - die zuvor bereits mit ihren Romanen "Die Lieferantin" und "Paradise City" bei uns zu Gast gewesen war - blieb wie immer ihrem Versprechen treu, keine Spoiler preiszugeben. Dennoch las sie uns einige stimmungsvolle und längere Auszüge aus ihrem neuen Buch "Memoria" vor, in dem es maßgeblich um Erinnern und das Gedächtnis geht: Wie zuverlässig sind eigentlich unsere Erinnerungen - und wer bestimmt, was wir vergessen dürfen?

Das Thema verwundert nicht. Die taz schrieb einst über Zoë Beck, sie habe in ihren Büchern lediglich "die Stellschrauben der Welt ein klein wenig weiter gedreht und das so entstehende Szenario als real verpackt." Aber das werde in einer so verrückten Welt wie der unsrigen zunehmend schwierig, scherzt Beck. Wenn im Buch die Wälder brennen, wenn Menschen sich die Miete nicht mehr leisten können oder wenn nachts das Licht nur noch in den Wohnungen der Reichen brennt: ist das dann noch literarische Übertreibung oder doch nur eine realistische Darstellung der Wirklichkeit? Eine weitere Drehung ins Unwirkliche liegt deshalb nahe - und was würde sich da besser anbieten als die Manipulierbarkeit unserer Erinnerungen?

Harriet, die Protagonistin des Romans, zweifelt zunehmend an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit, weil sie zum Beispiel plötzlich Auto fahren kann, obwohl sie sich nicht erinnern kann, es je gelernt zu haben - oder weil eine Frau, die Harriet noch nie gesehen hat, auf einmal ihren Namen kennt. Vergeblich sucht Harriet ihren Namen auf den Klassenlisten ihres Schuljahrgangs, und das, obwohl sie sich an die Prüfungsthemen noch genauestens erinnern kann. Und gruseliger noch: In der Abizeitung tauchen Kommentare auf, die in der zweiten Person an Harriet gerichtet sind - "Harriet, wo bist du? Wir vermissen dich!"

Die Erinnerung wirft auch große philosophische Probleme auf: "Wenn wir andere Erinnerungen hätten", fragt Zoë Beck, "von jetzt auf gleich, hätten wir dann auch eine andere Persönlichkeit?" Und es kommt noch gruseliger: Zoë Beck erzählt zum Beispiel von einem Fall eines italienischen Dorfes, wo eine ganze Generation von Kindern überzeugt war, an satanischen Ritualen teilgenommen zu haben, während materielle Beweise auf den Friedhöfen aber vollständig fehlten.

Wir möchten Sie nicht länger auf die Folter spannen: Lesen Sie "Memoria", es lohnt sich!