Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke

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Drucksache 17 / 11 753 - Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Manuela Schmidt und Katrin Lompscher (LINKE)

Drucksache 17 / 11 753

Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Manuela Schmidt und Katrin Lompscher (LINKE)

vom 13. März 2013 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2013) und Antwort

Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Wie schätzt der Senat aus Sicht der Interessen des Landes die Vor- und Nachteile der Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke gegenüber dem Verkauf von landeseigenen Liegenschaften ein?

Zu 1.: Aus Sicht des Senats gibt es insbesondere je- weils folgende Vor- und Nachteile bei der Vergabe von Erbbaurechten an oder der Veräußerung von Grundstücken:

Verkauf

Vorteile

Nachteile

Sofortige vollständige Einnahme des Grundstückswertes.

Land Berlin entgeht künftige Wertentwicklung des Grundstücks.

Grundstück bedarf keiner Bewirtschaftung mehr und Berlin entstehen dafür keine Kosten, insbesondere Personalkosten.

Land Berlin hat keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Nutzung des veräußerten Grundstücks, soweit nicht gegen bestehende städtebauliche Planung verstoßen wird.

Zahlt die Käuferin oder der Käufer den Kaufpreis nicht, kann das Land Berlin vom Kaufvertrag zurücktreten, ein Eigentumswechsel vor Zahlung erfolgt nicht.

Erbbaurecht

Vorteile

Nachteile

Grundstück fällt nach Ablauf des Erbbaurechts wieder an das Land Berlin.

Nach Ablauf ist das Gebäude grundsätzlich zu entschädigen.

Zusätzlich erhält das Land Berlin (gegen Entschädigung) das aufstehende Bauwerk.

Das Bauwerk ist nach Ablauf auch dann zu entschädigen, wenn keine weitere Verwendungsmöglichkeit durch das Land Berlin besteht.

Nutzungsbindungen sind dauerhaft sicherbar. Die städtebauliche Umsetzung bestimmter Nutzungen bleibt gesichert.

Bei Wohnerbbaurechten bleibt nach § 9a Erbbau- rechtsgesetz sowie bei den übrigen Nutzungszwecken aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der bei Aus- gabe geltende Grundstückswert für die gesamte Laufzeit bestehen. Eine Anpassung des Erbbauzinses erfolgt ausschließlich im Maße der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach festgelegten Indizes des statistischen Bundeamtes. Steigende Grundstückswerte bleiben somit für die Laufzeit des Erbbaurechts unberücksichtigt.

Stetige regelmäßige Einnahme über die Laufzeit des Erbbaurechts; nach Ablauf verfügt Berlin immer noch über den Grundstückswert.

Wird das Erbbaurecht notleidend, ist nicht ausgeschlossen, dass die Grundstückseigentümerin oder der Grundstückseigentümer, also das Land, für Bewirtschaftungskosten des Grundstücks haften könnte.

Bei Eintritt der jeweils zu vereinbarenden Gründe (z.B. Verstoß gegen die vereinbarte Nutzung, Erbbauzinsrückstand in Höhe von zwei Jahresbeträgen) kann die Grundstückseigentümerin oder der Grundstückseigentümer den Heimfall ausüben und das Erbbaurecht auf sich oder einen (geeigneteren) Dritten übertragen lassen.

Durch die auf regelmäßige Zahlung des Erbbauzinses angelegte Rechtskonstruktion entfällt – anders als beim Verkauf- die Möglichkeit, das Entstehen des Rechts zu verhindern. Beim Erbbaurecht bleibt dem Grundstückseigentümer nur die Ausübung des Heimfalls. Dies beinhaltet wirtschaftliche Risiken, da beim Heimfall in der Regel noch Grundpfandrechte valutie- ren dürften, die das Land Berlin zusammen mit dem Erbbaurecht übernehmen muss.

Für die Verwaltung der Erbbaurechte fallen für die gesamte Laufzeit Personalkosten an.

2.Teilt der Senat die Ansicht, dass die Vergabe von Erbbaurechten gegenüber dem Verkauf im Grundsatz bessere Möglichkeiten bietet, stadtentwicklungspolitische Ziele zu verfolgen und bestimmte Nutzungen zu sichern? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

Zu 2.: Soweit stadtentwicklungspolitische Ziele (insbesondere Art der Nutzung) durch Planungsrecht gesichert werden können, bindet dieses auch eine eventuelle Käuferin/ einen eventuellen Käufer. Über das Planungs- recht hinaus gewollte Nutzungsbindungen können im Allgemeinen eher mit Hilfe von Erbbaurechtsverträgen langfristig gesichert werden, als das im Falle eines Verkaufs möglich ist.

3. Welche Kriterien legt der Senat an, um im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Grundstück verkauft oder ein Erbbaurecht vergeben wird?

Zu 3.: Nach dem Konzept zur neuen Liegenschaftspolitik werden die grundlegenden Kriterien für Entscheidungen zwischen Verkauf oder Vergabe im Erbbaurecht in der Regel bereits im Rahmen der Portfolioanalyse und –clusterung benannt. Die Entscheidung darüber wird selbstverständlich erst im Vermarktungskontext getroffen.

4. Teilt der Senat die Einschätzung, dass im Grundsatz die Vergabe von Erbbaurechten gegenüber dem Verkauf langfristig für das Land finanziell nicht nachteilig ist? Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

Zu 4.: Diese Frage kann nicht für alle Fälle gleichermaßen belastbar beantwortet werden. Die Antwort hängt maßgeblich von der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt ab. Wie in der Tabelle zu Frage 1. bereits dargestellt, bleibt bei Erbbaurechten für Wohnnutzung aus gesetzlichen Gründen und bei sonstigen Nutzungszwecken aus vertraglichen Vereinbarungen der dem Erbbauzins zugrundeliegende Grundstückswert bei Ausgabe des Erbbaurechts für die gesamte Laufzeit unverändert. Die Erbbauzinsen verändern sich lediglich im Maßstab der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse.

5. Inwieweit kann der Liegenschaftsfonds in einem bedingungsfreien Bieterverfahren ein Erbbaurecht vergeben, wenn gleichzeitig Kaufangebote vorliegen?

Zu 5.: Im Portfolioausschuss erfolgt jeweils die Clusterung der Grundstücke. Daraus bestimmt sich in der Folge auch das jeweilige Vergabeverfahren für das jeweilige Grundstück. Ggf. erfolgt damit zugleich die Entscheidung über eine Direktvergabe. Vergaben im Wege des Erbbaurechts werden sich meist auf Fälle der Direktvergaben konzentrieren. Damit ergeben sich Gebote für ein Erbbaurecht und Gebote für einen Kauf nicht kumulativ, sondern alternativ.

6. Inwieweit wirken sich die Zielvorgaben für den Liegenschaftsfonds, für seine Geschäftsführung, für seine Mitarbeiter (Abführung an den Landeshaushalt, Zielvereinbarungen für Geschäftsführung und Mitarbeiter, Boni bzw. variable Gehalts- bzw. Vergütungsbestandteile) förderlich oder hinderlich auf die Häufigkeit der Vergabe von Erbbaurechten aus?

Zu 6.: Die Zielvereinbarungen für die Geschäftsführung sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Liegenschaftsfonds orientieren sich an den Zielbildern des Senats von Berlin für seine Beteiligungsunternehmen. Die Umsetzung der transparenten Liegenschaftspolitik wird ggf. auch Änderungen der Zielbilder des Senats für den Liegenschaftsfonds und damit auch der Zielvereinbarungen nach sich ziehen. Unabhängig davon, dass Details und konkrete Inhalte der Zielvereinbarungen als Personalangelegenheiten vertraulich zu behandeln sind, bleiben diese immer kohärent zu den genannten Regelwerken.

7.Wie schätzt der Senat die Risiken und Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke durch die Hauptverwaltungen, den Liegenschaftsfonds bzw. die Bezirke ein?

Zu 7.: Wie vorstehend bereits erwähnt, ist die Verwaltung von Erbbaurechten bedingt durch deren Rechtskonstruktion allgemein schwierig und aufwändig. Sie wird derzeit von den drei genannten Stellen geleistet. Risiken bei der Verwaltung von Erbbaurechten sieht der Senat insbesondere bei älteren Erbbaurechten im Zusammen- hang mit dem möglichen Ausfall des Erbbauzinses im Falle der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts. Dieses Risiko besteht bei neueren Erbbaurechten aufgrund der neuen Gesetzeslage nicht mehr, weil eine Erbbauzinsreallast inzwischen zwangsversteigerungsfest vereinbart werden kann. Berlin vereinbart in seinen Erbbaurechtsverträ- gen stets entsprechende Regelungen. Schwierigkeiten bei der Verwaltung von Erbbaurechten traten in der Vergan- genheit am häufigsten bei der regelmäßigen Anpassung des Erbbauzinses auf. Auch hier wirkt die geänderte Gesetzeslage erleichternd, denn es können sogenannte Gleitklauseln vereinbart werden, nach der sich im Maßstab der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Erbbauzins regelmäßig ohne Weiteres anpasst. Das Land Berlin verwendet in seinen Erbbaurechtsverträgen auch hier ent- sprechende Regelungen. Mittelfristig könnte darüber nachgedacht werden, die Verwaltung von Erbbaurechtsverträgen zu zentralisieren, um im Sinne der Verwaltungseffizienz und -effektivität das Controlling der Verträge zu erleichtern.

8. Welche Möglichkeiten sieht der Senat ggf., diese Schwierigkeiten und Risiken zu minimieren?

Zu 8.: Siehe Antwort zu 7.

9. Welche Möglichkeiten sieht der Senat sicherzustellen, dass zukünftig von der Möglichkeit der Vergabe von Erbbaurechten verstärkt Gebrauch gemacht wird?

Zu 9.: Siehe Antwort zu 3.

10. Welche Regeländerungen wären hierzu notwendig?

Zu 10.: Nach derzeitiger Einschätzung keine.

11. Hat der Senat die Absicht, dafür zu sorgen, dass in Zukunft die Vergabe von Erbbaurechten auf landeseigene Grundstücke gegenüber dem Verkauf verstärkt stattfindet?

Zu 11.: Das Konzept zur transparenten Liegenschaftspolitik sieht hier eine Kriterien geleitete Entscheidung vor.

Berlin, den 26. April 2013
In Vertretung

Dr. Margaretha Sudhof

Senatsverwaltung für Finanzen

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2013)

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