Vom Wert der Kultur
Dr. Manuela Schmidt, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus
Kurz, bevor das Jahr 2024 zu Ende geht, verkündete der schwarzrote Senat seine Sparvorhaben für das kommende Jahr und kündigte gleich mit an, dass es 2026 auf keinen Fall besser, eher noch schlechter aussehen würde.
Wider alle vorherigen Versprechungen und vermeintlich kämpferischen Ansagen, soll und wird der Kulturetat – der kleinste Etat des Berliner Haushalts – 2025 mit 130 Millionen Euro fast 13 Prozent sparen müssen. Ob der Kultursenator mit am Tisch gesessen hat, als dies beschlossen wurde, scheint fragwürdig. Ob er gekämpft hat, wie zuvor versichert, ist allerdings geklärt. Das hat er nicht getan.
Wie der Senat zu der Überzeugung gekommen ist, es sei möglich, wenige Wochen vor Ende des Jahres so viel Geld zu streichen, derartige Kürzungen zu beschließen und davon auszugehen, dass dies nicht mit den bereits geschlossenen Verträgen, ausgereiften und vertraglich gebundenen Planungen, verlängerten Mietverträgen, vorbereiteten und bereits in Gewerken gebundenen Investitionsmaßnahmen, vergebenen Stipendien, vereinbarten Gastspielen, fest geplanten Austauschprogrammen, gerade erst besetzten Stellen kollidiert, weiß niemand. Wahrscheinlich auch nicht die Koalition. Und niemand kann jetzt schon komplett ermessen, wie sich das linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip, nach dem hier gearbeitet wurde, auswirkt, wenn freie und kurzerhand entlassene Kulturschaffende beim Jobcenter oder Sozialamt landen, Vertragsstrafen fällig werden, Strukturen, die jahrelang aufgebaut wurden, unwiederbringlich zerstört sind. „Subventionierte Kultur droht zukünftig kleinbürgerlich, spießig, nationalprovinziell und zugleich elitär zu werden, weil ja auch die niedrigschwelligen Angebote wegfallen. Die AfD kann applaudieren“, schrieb die Autorin Annett Gröschner und der Befund stimmt.
Was diese fast 13 Prozent im Einzelnen und für jedes Kulturprojekt, Opernhaus und Theater, für die freie Szene, für die Bibliotheken, Jugendkunstschulen, aufgebauten Projekte und Strukturen bedeuten, wurde seit Verkündung der Sparvorhaben mit zunehmender Wut und wachsender Verzweiflung von den Kulturschaffenden angezeigt. Viele Häuser und Projekte haben – jenseits der durch Personalkosten, Instandhaltung, Miete und andere Fixkosten definierten Gelder – zwischen 10 bis 15 Prozent ihres Etats für Programmgestaltung zur Verfügung. Gut möglich also, dass wir bald – wie im Theater an der Parkaue – ein saniertes Haus und Personal haben, aber keine neuen Stücke. Dass die Komische Oper nicht nur zwei Jahre von einem Baustopp betroffen sein wird, sondern ganz stirbt. Dass ein Kulturstandort, wie die Lucy-Lameck-Straße, zwar noch steht, aber tot ist, weil das Vergabeverfahren zwar stattgefunden hat und der Zuschlag für eine neue Betreiberin versprochen war, nun aber gar kein Geld mehr fließen wird. Diese Liste ließe sich jetzt seitenweise fortführen. Eine Litanei des Elends und der kurzsichtigen Entscheidungen, weil sich zu fast allen beschlossenen Kürzungen die Frage stellen ließe: Habt Ihr das bis zu Ende gedacht?
Die Kulturschaffenden protestieren und die Politik in Gestalt der Koalition erteilt ihnen Ratschläge, dass sie ja auch mal anfangen könnten, auf Wirtschaftlichkeit zu setzen, mehr Eigeninitiative bei der Beschaffung von Geld zeigen und nicht vergessen sollten, dass Kultur eben nicht systemrelevant, sondern eine freiwillige Aufgabe für sonnige Zeiten ist.
Der Regierende Bürgermeister zog in seiner Argumentation die Supermarktkassiererin als Zeugin und erklärte in ihrem Namen, der stoße es auch auf, wenn sie zwar nie eine Opernvorstellung besuche, aber die Tickets mit ihren Steuergeldern subventionieren müsse.
Diese Argumentation war der erwartbare Paradigmenwechsel, gepaart mit der ebenso erwartbaren Argumentation, dass die rot-grün-rote Vorgängerregierung an allem schuld sei und man nun nur deren Suppen auslöffle.
„Geld ins Theater oder ins Schwimmbecken?“, fragte die Süddeutsche Zeitung. Damit ist genau jene Diskussion eröffnet, an deren Ende alle verlieren, die einen Beitrag zur Daseinsvorsorge, zum Gemeinwohl, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Fürsorge und Bildung, Demokratie und Verständigung, Diversität und Integration leisten. Sie werden gegeneinander ausgespielt und abgewogen. Ins Töpfchen, ins Kröpfchen. Willst du eine Feuerwehr, die im Brandfall kommt, oder ein Kinder- und Jugendtheater mit einem tollen Programm für deine Kinder und Ticketpreisen, die du bezahlen kannst? Wenn das die Alternative ist, dann die Feuerwehr. Das liegt auf der Hand.
Aber es ist nicht die Alternative und wir dürfen uns auf diese Debatte ebenso wenig einlassen, wie auf die Idee des Kultursenators, jetzt mal mehr auf Mäzenatentum, Sponsoring und privates Kapital zu setzen bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung in den Kultureinrichtungen und mehr (sic!) Eigenverantwortung. Als seien da Dödels am Werk, die nichts anders können, als die Hand aufhalten.
Alles genannte sind Möglichkeiten, die ausgelotet werden können, aber keine Lösung im Sinne einer Kulturlandschaft, wie Berlin sie aufzuweisen hat. UND BRAUCHT! Vor allem aber hätte über all dies mit ausreichender Zeit und gemeinsam an einem Tisch geredet werden müssen. Ich bin sicher und das ist auch der Tenor: Die Kulturschaffenden dieser Stadt hätten sich der Notwendigkeit, zu sparen, nicht verweigert und wären bereit gewesen, darüber zu reden, wie und wo das möglich ist, ohne, dass die Substanz zerstört wird. Aber mit ihnen hat niemand geredet. 8,9 Prozent der Beschäftigten Berlins sind Kulturschaffende (bundesweit sind es 2,9 Prozent).
Unsere Aufgabe als Opposition besteht darin, dies nicht durchgehen zu lassen und alles zu versuchen, die drohenden Desaster abzumildern oder zu verhindern. Vorschläge zu machen. Ein Zaun um den Görlitzer Park für 1,56 Millionen Euro, Wassertaxis für zwei Millionen Euro, keine Erhöhung der Preise für einen Anwohnerparkausweis… es gibt wirklich Einsparmöglichkeiten, vor allem aber auch Möglichkeiten, die Einnahmen zu erhöhen. Und trotzdem wird Sparen notwendig sein, aber wir werden uns nicht auf die „Theater oder Schwimmbecken, Feuerwehr oder Oper, kostenfreies Schulessen oder Musikschule-Debatten“ einlassen.
Erst Mitte Dezember wird endgültig feststehen, wer ab 1. Januar noch wie viel, wie viel weniger oder gar kein Geld mehr bekommt. Das ist eine sehr bizarre Vorstellung, wie man den Kulturschaffenden seiner Stadt Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr wünscht.
Rot-Rot-Grün setzt zusätzliche Schwerpunkte im Haushalt
Doppelhaushalt 2018/2019
Der kommende Doppelhaushalt 2018/2019 bildet die Grundlage dafür, das anspruchsvolle rot-rot-grüne Koalitionsprogramm umzusetzen. Der Senat hat in seinem Haushaltsentwurf viele Schwerpunkte bereits gesetzt, wie milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur der Stadt, vor allem in Schulbau und Sanierung, Zuschüsse an die Hochschulen, Ausbau des Radverkehrs und Aufstockung des Personals in der öffentlichen Verwaltung. Die Fraktionen von Rot-Rot-Grün haben sich im Zuge der Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus auf weitere Schwerpunkte verständigt. Das Geld dafür wird zusätzlich zu dem vom Senat vorgelegten Haushaltsentwurf in den Haushalt eingestellt. Insgesamt kommendadurch 215,43 Millionen im Jahr 2018 und 246,98 Millionen im Jahr 2019 dazu. Der gesamte Landeshaushalt wächst damit auf über 28 Milliarden im Jahr 2018 und rund 29 Milliarden im Jahr 2019.
1. Für Armutsbekämpfung und soziale Infrastruktur werden zusätzliche Mittel im Haushalt eingestellt:
2018: 10,15 Millionen
2019: 12,43 Millionen
Damit wird unter anderem finanziert:
- Die Mittel um Menschen vor Obdachlosigkeit zu schützen, werden deutlich erhöht. Die Kältehilfe wird um zwei Monate verlängert, dafür sollen im April und Oktober jeweils 500 Plätze zur Verfügung stehen. Wohnungslosenhilfen werden ausgebaut, die Straßensozialarbeit und die Bahnhofsmission gestärkt und die Öffnungszeiten des Hygienecontainers am Bahnhof Zoo verlängert.
- Die Schuldner- und Insolvenzberatungen in den Bezirken sollen ausgebaut werden.
- Der Preis für das ermäßigte Tierpark- und Zoo-Ticket für berlinpass-Inhaber*innen soll gesenkt werden.
- Es soll eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung eingerichtet und ein anonymer Krankenschein finanziert werden.
- Das Projekt Inklusionstaxi wird in den nächsten zwei Jahren mit 1,5 Millionen Euro finanziert. Hierbei handelt es sich um barrierefreie Taxen, die es Menschen im Rollstuhl ermöglichen, spontan ein Taxi zu bestellen.
2. Für Gute Arbeit werden zusätzliche Mittel im Haushalt eingestellt:
2018: 45,88 Millionen Euro
2019: 59,40 Millionen Euro
Damit wird unter anderem finanziert:
- Die schnellere Besoldungsanpassung für Berliner Beamt*innen und Beamte. Diese kann durch das zusätzliche Geld jeweils zwei Monate vorgezogen werden (2018 zum 1. Juni und 2019 zum 1. April). Auch ihre Selbstbeteiligung bei der Beihilfe, die sogenannte "Kostendämpfungspauschale" fällt künftig weg.
- Vorsorge, um auch in Unternehmen mit Landesbeteiligung gute Arbeit und tarifgebundene Bezahlung zu gewährleisten.
- Die Beteiligung des Landes Berlin an der für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Air-Berlin-Mitarbeiter*innen gegründeten Transfergesellschaft.
- Die Bezirke bekommen eine zusätzliche Zuweisung, um Volkshochschuldozent*innen besser bezahlen zu können. Auch die Mittel um mehr Lehrer*innen an den Musikschulen festanstellen zu können, wurden noch einmal um 1,2 Millionen Euro erhöht.
3. Für Mobilität und Ökologie werden zusätzliche Mittel im Haushalt eingestellt:
2018: 74,25 Millionen Euro
2019: 79,46 Millionen Euro
Damit wird unter anderem finanziert:
- Das Schülerticket soll für alle Kinder mit berlinpass-Berechtigung kostenlos werden. Generell soll der Preis der Schüler- und Azubi-Tickets abgesenkt werden.
- Auch Empfänger*innen von Wohngeld und SED-Opferrente bekommen Anspruch auf das Sozialticket (Berlin Ticket S).
- Auch beim Jobticket soll der Preis reduziert und der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert werden.
- Um die Sauberkeit in Berlin zu verbessern, die Gehwege zu sanieren und Bäumer wieder aufzuforsten, werden verschiedene Aktionsprogramme finanziert.
4. Für Gute Bildung werden zusätzliche Mittel im Haushalt eingestellt
2018: 69,90 Millionen Euro
2019: 80,97 Millionen Euro
Damit wird unter anderem finanziert:
- Berlin stellt die Grundschullehrkräfte bei der Bezahlung mit den Lehrkräften an den weiterführenden Schulen gleich. Für Lehrer*innen, die neu eingestellt werden, ist dies bereits in Kraft. Mit den zusätzlichen Mitteln können auch die Gehälter der Lehrkräfte angepasst werden, die bereits länger an den Schulen unterrichten.
- Um sicherzustellen, dass Quereinsteiger an Schulen qualifizierten Unterricht leisten können, wird ein Qualitätspaket für 26 Millionen in 2018 und 33 Millionen 2019 finanziert.
- Lehrer*innen an Brennpunktschulen soll eine Zulage gezahlt werden.
- Die Gebühren für den Hort sowie die Bedarfsprüfung sollen schrittweise ab 2019 abgeschafft werden.
5. Für Digitalisierung, Demokratie, Vielfalt und Toleranz werden zusätzliche Mittel im Haushalt eingestellt:
2018: 12,23 Millionen Euro
2019: 11,72 Millionen Euro
Damit wird unter anderem finanziert:
- Mehr Mittel für den Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
- Auch die Mittel für Deradikalisierung und Radikalisierungsprävention werden erhöht.
- Über eine Millionen pro Jahr um die HIV-Prävention und den Kampf gegen AIDS noch weiter zu stärken.
- Um Anwohner*innen von Clubs vor Lärm zu schützen und gleichzeitig Clubkultur in der Innenstadt weiter zu ermöglichen, wurde eine Millionen Euro für einen Lärmschutzfonds zur Verfügung gestellt. Damit können zum Beispiel Lärmschutzwände oder schallschluckende Einbauten in den Clubs finanziert werden.
- Unterstützung für das Tierheim Berlin.